Montenegro

Hilfskonvoi im März für Roma in Montenegro  

Viele Tausend Rom:nja sind nach dem Ende des Jugoslawienkrieges vor über 20 Jahren aus dem Kosovo nach Montenegro geflohen. Rund 20.000 darunter von ihnen, darunter viele Kinder und Jugendliche, leben heute in Konik, einem Vorort der Hauptstadt Podgorica, unter schlimmen Bedingungen.  
Nur wenige von ihnen haben das Glück, in einem richtigen Haus zu wohnen. Immer noch gehören Hütten und Zelte zu ihrer Realität.  
Es ist ihnen verwehrt, reguläre Jobs anzunehmen, Not und Elend sind riesengroß. Ein riesiger Slum in Europa. Ohne jede Perspektive auf Verbesserung der Lebensbedingungen. 

Am 15. März starteten wir einen Hilfstransport nach Podgorica, der jedoch sein Ziel nicht erreichen sollte.
 


Hamburger Hilfskonvoi e. V. – Hilfstransport Montenegro, Podgorica/ Konic

Eine Grenzerfahrung an einer Außengrenze der EU


 Am 18. März um 10 Uhr fuhren wir mit zwei LKW auf den Zollhof Karasovici/ Kroatien. Geladen hatten wir insgesamt rund 13 t Hilfsgüter, u. a. Kleidung, Windeln, Hygieneartikel, Hausrat, Decken, Kissen, Covid Tests.

Nachdem wir die Ausweise und Ladelisten dem Zoll präsentiert hatten und dieser die Unterlagen prüfte, erfuhren wir, dass unsere Zieladresse – ein Privatlager– beim Zoll für großen Unmut sorgte, weil der Besitzer diverse Zollvergehen begangen habe. Das haben wir natürlich nicht gewusst, aber Unwissenheit schützt natürlich vor Strafe nicht. In diesem Fall handelt es sich allerdings um Sippenhaft, denn selbst als wir angaben, dass unser Kooperationspartner SOS Podgorica sei und wir beim Lager lediglich abladen wollten, blieb es dabei: Keine Ausreise aus Kroatien – Ausreise wohlgemerkt. Wir waren verwundert!

Wir versuchten also, eine Bestätigung von SOS Podgorica zu bekommen, allerdings waren die Mitarbeiter*innen im Wochenende und es folgten diverse Telefonate und Emails. Und der Zoll? Der ließ derweil unsere beiden Fahrzeuge öffnen, warf einen Blick hinein, öffnete zwei Kartons und konnte anscheinend nichts Verwerfliches finden – wo Windeln draufstanden, waren Windeln drin.

Während eine Mitarbeiterin von SOS Podgorica, mit der wir eigentlich am Montag verabredet waren, versuchte, ihren Vorstand zu erreichen, um die gewünschte Bestätigung zu erstellen, wurden unsere Ausfuhrpapiere plötzlich und unerwartet gegen 15 Uhr, nach fünf Stunden also, akzeptiert. Wir sollten zur Schranke vorfahren. 





Hurraaaa! – Ach ne doch nicht….die Schranke blieb geschlossen. Stattdessen schaute sich der Zoll den 40-Tonner genauer an: wo ist denn die Fahrgestellnummer? Ist das Fahrzeug richtig besteuert? Wir fragen: Hätte man das vielleicht schon in den vergangenen fünf Stunden prüfen können?? Es vergingen weitere drei Stunden, in denen, das möchten wir an dieser Stelle auch einmal berichten, ein schweizerischer Beamter von Frontex sich (ausnahmsweise) mal positiv durch seine freundlichen Bemühungen und Vermittlungsversuche hervortat. Da hatte Frontex mal ein glückliches Personalhändchen und wir, so vermuten wir, die richtigen Ausweise. Wie dem auch sei, wir verließen gegen 18 Uhr den Zollhof Kroatien und fuhren 4 km bis zum Zollhof Montenegro.

Auf dem Zollhof Montenegro begann das Prozedere von vorn: Papiere wurden vorgelegt und kurz begutachtet, aber auch hier störte man sich an der Abladeadresse. Wir warteten also und nach ca. 1 Stunde erhielten wir ein vielversprechendes Angebot: 3.000 EUR sollten wir zahlen, dann dürften wir passieren…

Mittlerweile war die Familie des Lagerbesitzers an der Grenze angekommen und hatte zum Glück Pizza und Burger dabei. Wir aßen, denn wir waren sehr hungrig und mittlerweile auch echt erschöpft. Wir erfuhren noch, dass wir im Transit zu einer Inlandsspedition fahren und dort abladen sollten, damit die Spenden gesichtet werden könnten. Da es mittlerweile allerdings 23 Uhr war und wir nach 8 Stunden auf dem Zollhof Kroatien nun 5 Stunden Zollhof Montenegro hinter uns hatten, beschlossen wir, den Zollhof zu Fuß zu verlassen und ließen uns in ein Hotel bringen. Die LKW und Anselm O. blieben auf dem Zollhof.


Am nächsten Morgen kehrten wir um 9.00 Uhr zu unseren Fahrzeugen zurück und während wir noch Andreas Geburtstag feierten – so viel Zeit musste sein – erfuhren wir vom Zoll, dass der 40-Tonner nunmehr fahren dürfe. Der kleine LKW jedoch nicht, der habe Covid-Tests geladen. Wir waren irritiert. Sollten wir nicht gestern noch im Transitverfahren abladen? Und nun war es eine Palette Covid-Test, die uns am Weiterfahren hinderte? OK – laden wir ab – kein Problem. Doch damit war der Zoll nicht einverstanden und änderte jetzt erneut seine Meinung. Auch der 40-Tonner dürfe nun nicht mehr passieren. So ging es bis 11 Uhr weiter. Wir hatten den Eindruck: Montenegro wollte uns nicht. Und wir wollen nicht länger die Willkür ertragen und entschieden, umzudrehen. Eine letzte Bitte hatten wir: wir wollten ein Bestätigung, dass die LKW den Zollhof nicht verlassen hatten. Aber die wurde uns verwehrt. Wir bekamen keine Bestätigung. Stattdessen wurden wir von nun an zum Spielball zwischen Montenegro und Kroatien. Montenegro ließ uns nicht rein – Kroatien ließ uns nicht zurück in die EU.

Alles begann von vorn. Im Einzelnen:

a)      Der Name des Lagerbesitzers musste vom Papier verschwinden. Neue Ladelisten wurden erstellt und vorgelegt. Aber man 
         glaubte, wir hätten an der Ladung manipuliert und fragte

b)      nach der Begründung, warum wir nicht nach Montenegro eingereist waren. Außerdem forderte der Zoll

c)      die Bestätigung, dass wir den Zollhof nicht verlassen hatten. Diese Bestätigung fehlte. Wir bekamen allerdings die       
         Bestätigung vom Ziellager, dass die Spenden dort nie angekommen waren und stellten

d)     eine Bestätigung unsererseits aus, dass der Hamburger Hilfskonvoi alle Spenden in Hamburg wieder annehmen würde.

Eine Kontrolle der Ladungen fand nicht statt. Sie wurden nicht mal in Augenschein genommen. Wir warteten. Bis 18 Uhr. Dann verließen wir auch diesen Zollhof zu Fuß und ließen uns von dem sehr freundlichen Zollagenten zum Hotel Konavle in Konavle fahren. Dort verbrachten wir endlich eine Art Urlaubsabend. Im Hotel wurden wir schon erwartet und da die Küche außerhalb der Saison geschlossen war, bestellte der Hotelier uns Pizza und servierte dazu einen hervorragenden Rotwein. Wir genossen den Abend sehr, lachten viel und die Anspannung der vergangenen Tage fiel zumindest an dem Abend von uns ab. Satt und für den Moment zufrieden fielen wir später todmüde in die Betten.


Um 8 Uhr am nächsten Morgen wurden wir von dem Zollagenten wieder am Hotel abgeholt und bereits um 8.15 Uhr kehrten wir zu unseren LKW zurück. Nun hieß es warten – Stunde um Stunde. Immer wieder wurden wir nun von den Mitarbeiterinnen des Zolls gefragt, wo eigentlich genau das Problem läge. Die Begründung des Zolls von Montenegro löste Augenrollen aus und anhand der Reaktionen der Zöllnerinnen erahnten wir, dass sich auch langsam in den eigenen Reihen Unmut breit machte. Wir hatten alle Papiere geliefert, wir hatten kooperiert, wir hatten nichts zu verbergen und hatten viel Geduld gezeigt.

 Am Nachmittag kam es sogar zu einer sehr sympathischen Szene: eine Zöllnerin kam und fragte, ob wir etwas brauchten. Sie wusste, dass wir seit zweieinhalb Tagen auf den Zollhöfen festsaßen. Wir konnten im Supermarkt neben dem Hotel einkaufen und so hatten wir uns mit ein paar Lebensmitteln eingedeckt. Aber wir hatten keinen Kaffee und großen Kaffeedurst. Das erzählten wir der Zöllnerin und sie hatte Mitgefühl. Wir beiden Frauen durften sie in die Polizeiküche begleiten und Kaffee kochen. Und weil zum Kaffee auch Kuchen gehört, legt sie noch vier Stücke Kuchen dazu! Wir waren begeistert und kehrten mit Kaffee und Kuchen zu den Männern zurück. Welch ein Genuss und was für eine rührende Geste!!! Und als hätte diese Geste irgendetwas losgetreten, ließ man uns gegen 15 Uhr, nach sieben langen Stunden, wissen, dass der 7,5-Tonner das Zollgelände verlassen dürfe - einfach so!!! Wie kann das sein? Aber gut, wir stiegen ein und - warteten. Für den 40-Tonner hatten wir eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass an der Ladung nichts verändert wurde. Sie war ausschließlich auf Kroatisch verfasst – ein Umstand den wir bedenklich fanden und finden, aber ohne diese Unterschrift würden wir wohl heute noch auf dem Zollhof festsitzen. Die eidesstattliche Versicherung wurde angeblich im Hauptzollamt Zagreb geprüft. Wir warteten…. Und zwei Stunden später ging es plötzlich ganz schnell: Beide LKW durften zur Schranke vorfahren. Ausweiskontrolle. Um 17.35 Uhr verließen beide LKW den Zollhof Kroatien! Wir sind zurück in der EU!!

Wir haben insgesamt rund 55,5 Stunden auf den Zollgelände verbracht. Davon wurden wir rund 47,5 Stunden zwischen Kroatien und Montenegro festgehalten. Wir ahnen nur, wie sich das für Menschen anfühlt, die wirklich im Grenzgebiet festsitzen. Wir konnten jederzeit zu Fuß das Gelände verlassen. Wir sind EU-Bürger, wir haben deutsche Ausweise und trotzdem hat diese Erfahrung uns belastet – nachhaltig.

Wir bitten Euch um Eure Spenden. Jeder Euro hilft. Neuer Text

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